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Was ist Gestalttherapie?

Versuch einer Antwort.

Was ist denn Gestalttherapie? Eine Frage, die mir oft gestellt wird. Mein Versuch einer Antwort:

Gestalttherapie ist eine bedeutende Richtung der humanistischen Psychologie. So weit so gut und so weit so knapp. Und sie ist mehr als Psychologie. Doch dazu in einem späteren Text, wenn es um den Bezugsrahmen der gestalttherapeutischen Arbeit geht.

Gestalttherapie, wie wir, Dr. Jan Kruse und ich, sie in unserem Seminar für Gestalttherapie praktizieren, ist ein Weg des gemeinsamen Erforschens von Wahrnehmungen, Erfahrungen, Gedanken, Kommunikationen, auf den sich KlientIn und TherapeutIn oder BeraterIn begeben. Es ist ein gemeinsames Erforschen und Verstehen. Im besten Fall ist es ein 'erkennendes Verstehen', wie der Philosoph Emmanuel Levinas formuliert. Lore Perls, gemeinsam mit Fritz Perls und Paul Goodman MitbegründerIn der Gestalttherapie, hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass wir uns mit unseren Unterstützungsangeboten zurückhalten und unseren KlientInnen so viel wie nötig und so wenig wie möglich anbieten sollen. Den Körper sprechen lassen, leiblichen Impulsen nachgehen, experimentell erforschen, was sich zeigt, sorgfältig mit der Sprache sein, Emotion und Verstand versöhnen, all das gehört zu unserer Arbeit. Wir hüten uns davor, zu viel des Fremden, unserer eigenen Konzepte und Projektionen, unseres Wissens und Gutmeinens, unseren KlientInnen anzukleben. Ich bin da in der Fülle und Kraft meiner Professionalität und ich weiss erst einmal nicht. Das Wissen entspringt dem Zwischen. Das Wissen entspringt der Beobachtung und Reflexion dessen, was in der Begegnung zwischen TherapeutIn und KlientIn geschieht. Dies ist das 'Material', aus dem Unterstützung erwächst. Dabei geht es um ein Umgehen-mit, ein 'Wirklichwerden', wie es Fritz Perls nennt - 'mit dem zu existieren, was wir haben (..).' Jetzt und hier.

GestalttherapeutInnen interessieren sich für die Geschichten ihrer KlientInnen, für ihre Erfahrungen und für Ihren Weg, auf dem sie gerade stehen, den sie gerade gehen. Wir interessieren uns für die Geschichten, die den Blick verschliessen und die, die den Blick öffnen. Wir wissen heute sehr genau aus der Sozialforschung, dass die Würdigung einer individuellen Geschichte, einer vielleicht schicksalhaften Erfahrung, ein wichtiger Schritt des Heilwerdens sein kann. Insofern kann das Sprechen mit einem und zu einem wirklich zuhörenden Gegenüber pharmakologische Wirkung, wie Joachim Bauer bemerkt, entfalten. Viele, die dies erleben, sagen, das eigene Leben werde dadurch vollständiger. Vor allem Lore Perls hat uns die Achtung vor der Erfahrung, die Liebe zum Experiment und den Mut mitgegeben, uns für die existenziellen Themen unserer KlientInnen zu öffnen. Dabei helfen uns die Praxis der Präsenz, das Üben der Wahrnehmung und das Erleben und Verstehen der vielen Facetten von Kontakt als zentrale Säulen der gestalttherapeutischen Arbeit. So schlicht und so anspruchsvoll.

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